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Humperdinck: Hänsel und Gretel

Thüringen ist „Hänsel und Gretel“-Land. Nicht wegen der tiefen Wälder am Rennsteig, wo es natürlich keine echten Hexenhäuser mit Lebkuchenzaun gibt, sondern weil am Hoftheater Weimar der Großherzoglich Sächsische Kapellmeister Richard Strauss 1893 die Uraufführung der Märchenoper seines Kollegen Engelbert Humperdinck dirigierte. Pauline de Ahna, später Strauss’ Ehefrau, sang nach ihren Weimarer Erfolgen in Meistersinger und Tannhäuser den ersten Hänsel. Schon damals wurde Hänsel und Gretel als Musikdrama für die ganze Familie populär: Erlesen und kunstvoll naiv.

Jetzt folgen erst am 24. November im Uraufführungsort, den Strauss eine „altrenommierte Zukunftsstadt“ nannte, und am 30. November im nordthüringischen Nordhausen, dort als Co-Produktion mit dem Tiroler Landestheater Innsbruck, gleich zwei Premieren der heute weltweit beliebtesten Märchenoper nach den Brüdern Grimm. Die Nordhäuser Operndirektorin Anette Leistenschneider verlegt sie, obwohl Gretel nach Erdbeeren suchen muss, in einen silberglitzernden Winterwald. Damit zeigt sie das Artifizielle der Partitur und des von Humperdincks Schwester Adelheid Wette mit Koseformen von „Brätelchen“ bis „Mädelchen“ liebevoll entschärften Sujets.

In Weimar darf man gespannt sein auf die Inszenierung des Münchner Künstlers und Regisseurs Christian Sedelmayer, dessen Affinität zum Theatrum Mundi und christlichen Allegorien eine für Kinder wie Erwachsene spannungsvolle Bildsprache verheißt. Beide Sichtweisen lassen sich auch verstehen als Antwort auf sozialistische Deutungen, die die Elternfiguren zu bitterarmen Proletariern und die vierzehn Schutzengel zu erzgebirgischen Holzfiguren machten. Beide Theater haben starke Besetzungen für die spätromantischen Spitzentitel Hexenritt, Knusperwalzer und Abendsegen. Am Theater Nordhausen, wo im Januar eine Neuinszenierung der ähnlich hybriden Märchenoper „Cendrillon“ von Jules Massenet folgt, singt Carolin Schumann den Hänsel und tritt damit in die künstlerischen Fußstapfen von Pauline de Ahna. In Weimar alternieren als Gretel Emma Moore und Heike Porstein, eine berührende Sängerdarstellerin in Verdis „Die Räuber“ und als Donna Anna in Mozarts „Don Giovanni“. (Roland H. Dippel)

Interpreten

Philipp Franke (Vater)
Zinzi Frohwein (Mutter)
Carolin Schumann (Hänsel)
Amelie Petrich (Gretel)
Anja Daniela Wagner (Knusperhexe)
Kinderchor des Theaters Nordhausen
Loh-Orchester Sondershausen
Thüringer Symphoniker Saalfeld-Rudolstadt
Felix-Immanuel Achtner/Oliver Weder (Leitung)
Anette Leistenschneider (Regie)

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