Erst verschwand Georg Jarnos „Försterchristl“, dann Leo Falls „Der fidele Bauer“, und schließlich wurde es auch still um „Schwarzwaldmädel“, den größten Erfolg des 1942 nach Misshandlungen durch die Gestapo im Jüdischen Krankenhaus Berlin verstorbenen Komponisten Leon Jessel.
Doch aus dem kollektiven Gedächtnis ist dieses Singspiel, das seinen Siegeszug antrat, als nach dem Ersten Weltkrieg die Champagner-Operette in der neuen gesellschaftlichen Wirklichkeit schwächelte, kaum wegzudenken: „Das Schwarzwaldmädel wird 90“ jubelte vor zwei Jahren der „Stern“ zum runden Geburtstag von Sonja Ziemann, die 1950 auf den Kinoleinwänden in der Titelrolle zum Singspiel- wie zum Heimatfilm-Idol wurde. Und als Domkapellmeister Blasius Römer, der die Waise Bärbele mehr als die Musik-Heilige Cäcilie in ihrem Winkel neben der Orgel verehrt, bleibt der Charakterbariton Benno Kusche ebenso in wohlig sentimentaler Erinnerung wie Paul Hörbiger und der Wagner-Tenor Wolfgang Windgassen.
Am Meininger Staatstheater hat man die Inszenierung dem Schauspieldirektor Tobias Rott anvertraut, weil er als am Chiemsee aufgewachsener Wahlberliner beide Sphären kennt, die in Schwarzwaldmädel mit Bollenhut, Flößerhemd und Cocktailkleid zusammenkommen: die von den Großstadtflüchtlingen verlassene Sphäre der flüchtigen Flirts und die liebenswerte, traditionsbewusste, aber auch grimmige bis engstirnige Welt des Schwarzwaldstädtchens. Jessels Musik schwebt über Höhenzügen, die meteorologisch recht rau sein können.
Gründlich vergessen sind zwar Jessels andere Werke wie „Die beiden Husaren“, „Ein modernes Mädel“ oder „Schwalbenhochzeit“, doch mehrere Musiknummern aus „Schwarzwaldmädel“, das international als B„lack Forest Maiden“ zur Alternative für „Cinderella“ wurde, sind unsterblich: die Polka, die Hymne an die extravagante wie herzliche „Malvine, ach Malvine“ und das flotte Wanderlied von Hans und Richard, hörbar inspiriert vom ersten Auftritt Symons und Jans aus „Der Bettelstudent“. Sprichwörtlich gräbt sich jenes Duett ins Gemüt, wenn das schüchterne Bärbele den Herrn Domkapellmeister bei einer Damenwahl in der viel zu kurzen Walzer-Coda aus seiner Reserve lockt: „Erklingen zum Tanze die Geigen…“ (Roland H. Dippel)