Die Passionsgeschichte erfreut sich als Kompositionssujet seit jeher großer Beliebtheit. Frank Martin, Sprössling einer streng gläubigen Schweizer Pastorenfamilie, fühlte sich hingegen lange Zeit „ganz und gar unwürdig, ein solches Thema zu behandeln“, nicht zuletzt auch ob der mentalen Übermacht der Bach’schen Vorbilder. Doch als er im Frühjahr 1945 bei einer Ausstellung auf Rembrandts Zeichnung „Die drei Kreuze“ traf, auf der die Szenerie nach der Kreuzigung Christi zu sehen ist, war es um ihn geschehen. Ohne den sonst üblichen Kompositionsauftrag machte er sich an die Vertonung der Leidenshistorie. Drei Jahre lang arbeitete er an seinem Oratorium „Golgotha“, das Texte der Evangelien mit Schriften des Kirchenvaters Augustinus vereint und mehr als Ereignisbericht denn als vertonte Predigt verstanden werden will. Musikalisch zeichnet sich das Werk durch stilistische Vielfalt aus. So finden sich darin gregorianischer Psalmengesang und Volksliedanleihen ebenso wie ausgefeilte Kontrapunkte und dodekafonische Abschnitte. Edzard Burchards leitet den Harvestehuder Kammerchor und die Rheinische Kantorei.
Jan Maier