„Candidatus Alder hat über das Lied ‚Kömm, o Tod, du Schlafes Bruder‘ zu extemporieren.“ Was dann folgt, ist die wohl eindrücklichste Schilderung einer Orgelimprovisation aller Zeiten. Sie ist letztendlich die Erfüllung seines Daseins, die Beschreibung seines ganzen Lebens durch die Musik. Sein Orgelspiel und seine Liebe zur Musik verwandeln den gröbsten Bergbauern in einen höflichen Kirchgänger. Doch alles was der junge Mann möchte, ist die Liebe von Elsbeth. Von einer unerklärlichen Todessehnsucht übermannt, zwingt er sich in geistiger Umnachtung mit Hilfe von Drogen und kalten Bädern, sieben Tage und Nächte aufzubleiben, in der Hoffnung, dass ihm dieses wache, neue Leben die Liebe Elsbeths einbringen werde. Doch vergebens – die Schuld an allem trägt Gott allein.
Schlafes Bruder: Genie und Wahnsinn liegen dicht beieinander
In Robert Schneiders Roman „Schlafes Bruder“ liegen Genie und Wahnsinn dicht beieinander. Das Buch erzählt die Geschichte eines sonderbaren Jungen, dem schon früh klar wird, dass er anders ist, als die restlichen Dorfbewohner. Schon von Geburt an ist er mit einem übermenschlichen Gehörsinn ausgestattet, womit er seiner Familie und den übrigen Eschbergern eine ungeheure Angst einjagt.
Das Buch ist revolutionär und entzieht sich den meisten Kategorien der deutschsprachigen Literatur der letzten Jahrzehnte. Es ist durchtränkt von altertümlich klingendem Dialektdeutsch sowie fantasievollen Wortschöpfungen und bezieht auch historische, musikalische und gesellschaftskritische Aspekte mit ein. Mitunter gelingt es dem Autor, das gesamte Leben eines Dorfbewohners in einem Satz zu beschreiben. „Schlafes Bruder“ ist keine Musikerbiografie oder die Geschichte eines verkannten Genies, vielmehr handelt es sprachmächtig von der Leidenschaft eines Menschen, der lieben und leiden muss, selbst wenn es ihn das Leben kostet.