Hoffentlich erscheint diese wichtige Publikation schon bald in deutscher Sprache. Kira Thurman war bei Beginn des unter anderem vom DAAD geförderten Projekts wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Geschichte, germanische Sprachen und Literaturen an der Universität Michigan. Sie liefert einen Abriss von knapp hundert Jahren Interpreten- und Interpretationsgeschichte bis ca. 1965. Thurman bestätigt, dass sich in der nach 1955 zahlenmäßig ansteigenden Verpflichtung farbiger amerikanischer Sängerinnen (1961 Grace Bumbry als „schwarze Venus von Bayreuth“) und Sänger (1974 Simon Estes als Bayreuther „Holländer“) klischeehafte Zuschreibungen durch Veranstalter, Medien und Publikum fortsetzen.
Zugleich verdeutlicht sie, warum die Berufung als „klassischer Musiker“ für farbige Amerikaner aus sozialen Motivationen attraktiv war: Deutsche Musik wurde in US-Amerika schon lange vor 1900 durch ihren Nimbus als zivilisatorische Spitzenleistung zum Statussymbol gehobener Schichten. Thurman zeigt, dass viele nach Europa gekommene farbige Musiker wie der in Ost- und Westdeutschland auftretende Dirigent George Byrd in Amerika unbekannt blieben. Zugleich reizt sie die Erkundung „interkultureller“ Transfers. Zum Beispiel erwähnt sie den Komponisten Harry Lawrence Freeman, den man nach Aufführungen seiner Opern am Deutschen Theater Denver als „farbigen Wagner“ würdigte. Unterschiede des Umgangs vor allem mit farbigen Sängerinnen und Sängern in Deutschland und Österreich werden subtil reflektiert.