Bereits 2007 erschienen die Erinnerungen der britischen Lyrikerin Lavinia Greenlaw an ihre Jugend in den 1970ern in England. Mit „Tonspuren“ liegen diese nun auf Deutsch vor. Warum gerade jetzt? Und warum überhaupt? Weil die damaligen politischen und gesellschaftlichen Probleme wie das Erstarken der rechtsextremen National Front, die Ölpreiskrise oder die Furcht vor einem Atomkrieg frappierende Parallelen zu unserer Gegenwart aufweisen. Weil Greenlaw das durch alle Zeiten verbindende schmerzhafte Erleben des Heranreifens so präzise wie poetisch in Worte kleidet.
Die Autorin, die später das Libretto zu Richard Ayres Kinderoper „Peter Pan“ schrieb, erhält schon früh Ballettunterricht, spielt Geige und Klavier. Die Familie musiziert viel. So probt im Wohnzimmer der Madrigalchor der Mutter: Die Frauen „begannen zu singen und den Raum mit Klängen zu füllen, die sich aufbauschten und zusammenfalteten, als räumten sie sich selbst beiseite. Genauso gut hätten sie Wäsche falten können.“ Als die 11-jährige Lavinia vom grauen Multikulti-London in ein konservatives Dorf in Essex zieht, erleidet sie einen Kulturschock. Der Drang nach Autonomie und Individualität bei gleichzeitiger Sehnsucht nach Zugehörigkeit lassen sie fortan rebellieren und ihre Grenzen ausloten. In 56 ausgefeilten und vielschichtigen Texten spürt Greenlaw dem Soundtrack ihrer Jugend nach. Von Disco über Soul und Rock bis Punk und New Wave spiegeln die Musikstile jeweils verschiedene Abschnitte ihrer Entwicklung wider, bei der die klassische Musik das stärkende Fundament bildet.