Die Kinder allzu berühmter Künstler haben es oft schwer: Ob gewollt oder nicht, versuchten viele, in die großen Fußstapfen zu treten, vermochten es aber höchst selten, sie auszufüllen. In den Familien der Mozarts oder Wagners mag es besonders traurige Fälle geben. Bei den Bach-Söhnen ist das schon etwas anderes: Gerade Carl Philipp Emanuel, vor 310 Jahren in Weimar geboren, wusste sich sehr wohl vom noch zu Lebzeiten als veraltet geltenden Vater zu emanzipieren und betrat an der Schwelle zur Frühklassik selbstbewusst kompositorisches Neuland.
Spätestens nachdem er sich in Hamburg niedergelassen hatte, wurde ihm höchste Bewunderung zuteil, und daher ist es ganz folgerichtig, dass sich die nach ihm benannte Akademie mit dem Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor nun schon im zweiten Jahr einem ganzen Festival zu Ehren des berühmten Komponisten widmet.
Hamburg als zweite große Bach-Stadt
Die Vision der Macher unter ihrem neuen Spiritus Rector und Bachspezialisten Hansjörg Albrecht könnte kaum selbstbewusster sein: Neben Leipzig wollen sie Hamburg als zweite große Bach-Stadt etablieren. Der Erfolg des vergangenen Jahres gibt ihnen durchaus Recht, und entsprechend hochkarätig präsentiert sich auch das Programm.
Albrecht mit seinen guten Verbindungen zu Sachsen ist es gelungen, als Dirigent des Eröffnungskonzertes den Cellisten Jan Vogler zu verpflichten, der selbst ein umtriebiger Festivalmagnat ist. Mit den Dresdner Kapellsolisten, einer Edelmuggen-Ausgründung der Sächsischen Staatskapelle, darf man das Cellokonzert und auch ziemlich unbekanntes sinfonisches Repertoire des „Hamburger Bachs“ entdecken.
Inmitten des gut zweiwöchigen Festivals gibt es aber auch viel Kammer- und Cembalomusik des Tastenlehrers zu erleben, bevor im Festkonzert kurz vor Schluss Bachs selten gespieltes Oratorium „Die Israeliten in der Wüste“ mit der Akademie für Alte Musik Berlin, dem Gründungschor und wiederum Hansjörg Albrecht am Pult neugierig macht. Den Abschluss bildet eine Begegnung mit einem viel jüngeren Avantgardisten: Zum 150. Geburtstag Arnold Schönbergs stellt Albrecht zwei Bach-Sinfonien dem Liederzyklus „Das Buch der hängenden Gärten“ gegenüber, dem Schlüsselwerk des späteren Dodekaphonikers auf der Schwelle zur Atonalität.