Ekstase! Natürlich, wie könnte es anders sein, wenn der Autor ein so leidenschaftliches, funkensprühendes Theatertier ist wie Barrie Kosky? Die sinnliche Lust bei der Durchdringung von Bühnenwerken ist der rote Faden, der sich durch die Reflektionen zieht, anschaulich dargelegt, in starken Bildern, mit klugen Einsichten. Kosky beginnt bei seiner Kindheit, aufgewachsen in einer Familie jüdischer Einwanderer in Melbourne: Er erzählt von der verlockenden Hühnersuppe seiner polnischen Großmutter Leah, vom Geruch in der Umkleidekabine nach dem Schulsport, von der Futterseide der Mäntel im Pelzgeschäft seines Vaters. Lauter erregende, elektrisierende Initiationserlebnisse. Bald folgen die Entdeckung der Stimme Renata Tebaldis in „Madama Butterfly“ auf einer LP von Koskys ungarischer Großmutter Magda und eine Aufführung der Oper in Melbourne. Später das Eintauchen in den sinfonischen Kosmos Mahlers.
Barrie Kosky vermittelt das Erlebnis Musiktheater
Musik entfaltet körperliche Wucht. Diese schlägt sich später in Koskys Schauspiel- und Operninszenierungen nieder: etwa bei Ligetis „Le Grand Macabre“ an der Komischen Oper Berlin, wo er seit 2012 Intendant ist. Auch bei den ekstatisch aufgeladenen Werken des Antisemiten Wagner, die Kosky differenziert hinterfragt. Die deutsche Fassung der 2007 auf Englisch erschienenen Erinnerungen enthält ein neues Interview, bei dem Kosky auch auf seine Meistersinger-Erfahrungen in Bayreuth eingeht. Und auf die Operettenausgrabungen an der Komischen Oper. „On Ecstasy“ vermittelt eindrücklich das Erlebnis Musiktheater. Dieses Buch sollte Schullektüre werden.