Seine lebenslange Beschäftigung mit den Grundprinzipien der musikalischen Aufführungspraxis machte Dirigenten-Legende Nikolaus Harnoncourt weltberühmt. Nicht zuletzt ist es seinem Bruch mit Spieltraditionen zu verdanken, dass er das Interesse an der Interpretation Alter Musik neu weckte und dem Publikum neue Zugänge ermöglichte. Seine musikalischen Vorstellungen setzte der 2016 verstorbene Maestro auf der Bühne und in zahlreichen Einspielungen um. Zudem schrieb er sie in vielen Essays nieder, die nun in einer Auswahl seiner Witwe Alice Harnoncourt mit dem Titel „Über Musik. Mozart und die Werkzeuge des Affen“ im Residenz Verlag erschienen sind.
Entgegen der Tradition
Die hier in fünfzehn Kapiteln vermittelten Einblicke in das zukunftsweisende Schaffen Harnoncourts offenbaren eine grundlegende Kritik und Infragestellung zeitgenössischer Hörgewohnheiten, eine tiefreichende Beschäftigung mit der Wirkung von Musik bis hin zur Instrumentenkunde und zum akribischen Quellenstudium auf der Suche nach Komponisten-Intentionen. So unterzieht Harnoncourt sowohl überstrapazierten Begrifflichkeiten wie Aufführungspraxis, Authentizität und Werktreue einer kritischen Prüfung als auch den Zeitgeist, die Moden und die „Wahrheit“ von Musik. Einige wenige Ausführungen über die musikgeschichtlichen Entwicklungen der Harmonielehre setzten dabei eine nicht unerhebliche musikalische Vorbildung voraus, trüben jedoch nicht die Freude über den feinsinnigen Einblick in den Genius dieser Dirigenten-Legende.