Rachmaninows auf einem Gedicht von Edgar Allan Poe basierenden, die Stationen menschlichen Lebens reflektierenden „Glocken“ beziehen ihren Reiz aus den Kontrasten der pathetisch deklamierenden Solostimmen mit dem für die Entstehungszeit durchaus experimentellen, von Mariss Jansons wunderbar geschmeidig in den Klang eingebundenen expressiven Chorsatz. Schon die kurze einleitende Orchesterpassage wird zur Delikatesse, so transparent klingt sie, so zupackend wird sie musiziert, so brillant wird sie artikuliert. Große Gelassenheit herrscht dagegen bei der Wiedergabe der sinfonischen Tänze, Rachmaninows letzten Kompositionen. Hier werden die Melodielinien und Tanzrhythmen mit eher leichter Hand und großer Liebe zum Detail modelliert. So tritt die Janusköpfigkeit dieses Komponisten, sein Selbstverständnis als in der Tradition wurzelnder, dem Populären nicht Abholden Neuerer, unprätentiös ins Zentrum.
Rachmaninow: Die Glocken op. 35
Tatjana Pavlovskaja (Sopran), Oleg Dolgov (Tenor), Alexej Markov (Bariton), Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Mariss Jansons (Leitung)
BR Klassik