„Möge sie Gnade finden.“ Mit diesen Worten sandte Anton Bruckner 1887 die Partitur seiner achten Sinfonie an Hermann Levi. Drei Jahre lang hatte der Komponist daran gesessen. Die Siebte, sein Vorgängerwerk, hat dem hoch angesehenen Kirchenmusiker den späten – oder besser: finalen – Durchbruch als Komponist verschafft. Was sollte nun folgen? Der nächste Gipfelpunkt? Der unausweichliche Abstieg? Levi, ein Freund Bruckners und hochdekorierter Dirigent, äußerte nichts Gutes über diese neue, achte Sinfonie.
„Es war ein Triumph“
Vielleicht hatte Anton Bruckner schon eine gewisse Vorahnung, als er postalisch um eingangs erwähnte Gnade beim geschätzten Musikerkollegen bat. In jedem Falle sollten drei weitere Jahre vergehen, ehe Bruckner 1890 seine zweite Fassung vollendete. Tiefe Depressionen begleiteten den Schaffensprozess, der auch nach der Vollendung nicht zu Ende war, denn zwei weitere Jahre mussten vergehen, ehe die achte Sinfonie zur Uraufführung kam. Hans Richter stand am Pult, die Wiener Philharmoniker spielten, und Hugo Wolf notierte in einem Brief dazu: „Es war ein Triumph, wie ihn ein römischer Imperator nicht schöner wünschen konnte.“
Ein Triumph, der hart erarbeitet war. Und gerade deshalb ist diese Sinfonie in gewissem Sinne eine der persönlichsten des Komponisten, eines Österreichers, der das monströse achtzigminütige Werk seinem Kaiser Franz Joseph I. widmete (die Neunte widmete er dann, so die Legende, „dem lieben Gott“…).
Kein Entkommen aus der Düsternis
Zu Beginn des ersten Satzes stimmen Violinen und Hörner im Pianissimo ein eingestrichenes f an, zwei Takte später setzt das Kontrabass-Thema ein mit seinem prägnanten Kurz-lang-Rhythmus. Aus dieser Düsternis ist im gesamten ersten Satz kein Entkommen. Erst im zweiten Satz kehrt versöhnlichere Stimmung ein. Das Scherzo übertitelte Bruckner mit „Der deutsche Michel träumt ins Land hinaus…“.
Wobei auch bei genauerem Zuhören nicht ganz klar ist, ob der Wiener vielleicht nicht doch den Michel um seine Piefigkeit beneidet, denn die auskomponierte Träumerei offenbart unverstellte Schönheit ohne jeglichen ironischen Bruch. Nachdem die Harfe zum ersten Mal im Trio erscheint (das tut sie an dieser Stelle überhaupt zum allerersten Mal in einer Bruckner-Sinfonie), folgt jene Stelle, in der nach Worten des tief gläubigen Katholiken „der Michel im Gebet kurz innehält“.
Sakrale Kraft
Nach dem dritten Satz, mit knapp vierzig Minuten der längste der Sinfonie und mit Anleihen an Wagners „Siegfried“ und – zumindest in der ersten Fassung – „Parsifal“, folgt der monumentale Finalsatz voll, ja, sakraler Kraft. „Eine absinkende Dekonstruktionsphase – wie eine Grablegung – führt zur letzten Generalpause der Symphonie. Dann steigt das Hauptthema langsam empor zum endgültigen C-Dur, in dem sich die Themen aller Sätze vereinigt finden“, notiert Mathias Husmann in seinen „Präludien fürs Publikum“ über das strahlende, überwältigende Ende der gigantischen Tonschöpfung.
Die wichtigsten Fakten zu Anton Bruckners 8. Sinfonie:
Besetzung: Großes Streichorchester, drei Flöten, drei Oboen, drei Klarinetten, drei Fagott (das dritte auch Kontrafagott), acht Hörner (vier wechseln mit Wagnertuben), drei Trompeten, drei Posaunen, Basstuba, Pauken, Triangel, Becken und drei Harfen
Aufführungsdauer: ca. 80 Min.
Uraufführung der Zweitfassung am 18.12.1892 durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Hans Richter
Referenzeinspielung
Bruckner: Sinfonie Nr. 8
Münchner Philharmoniker
Günter Wand (Leitung)
Profil
In aller Regel blieb Günter Wand stets jenen Orchestern treu, bei denen er unter Vertrag stand. Allein mit den Berliner und Münchner Philharmonikern arbeitete er regelmäßig und langjährig als Gastdirigent. Dass unter den mannigfachen Bruckner-Einspielungen von Günter Wand die Aufnahme mit den Münchner Philharmonikern besonders hervorsticht, ist auch der Tatsache geschuldet, dass der Klangkörper der bayerischen Landeshauptstadt seit jeher einen ganz besonderen musikalischen Bezug zum österreichischen Komponisten hat. Und so ist es vor allem die stupende Souveränität, diese fast schon unverschämte Leichtigkeit, mit der diese monströse und alles andere als einfach Sinfonie allen Musikern von der Hand geht. Nachdem der letzte Ton des Finalsatzes verhallt ist, herrscht sekundenlange Stille. Erst dann ist dem leidenschaftlichen Jubel des Publikums kein Einhalt mehr zu gebieten.