Die Figur der Tosca wäre ohne Sarah Bernhardt und Maria Callas nicht annähernd so berühmt wie sie heute ist. Als Hauptdarstellerin des Dramas von Victorien Sardou wurde Bernhardt in ganz Europa gefeiert – innerhalb von zwanzig Jahren soll sie an die 3.000 Mal jene tragische Sängerin gespielt haben, die am Chaos und an der Unmenschlichkeit im Rom des 2. Koalitionskriegs zugrunde geht.
Während Sarah Bernhardt die Schauspiel-Tosca seit der Uraufführung gab, blickte Maria Callas bereits auf eine Reihe prominenter wie umjubelter Vorgängerinnen, als sie in den frühen fünfziger Jahren erstmals die Titelpartie der Puccini-Oper übernahm, wobei „spielte“ der treffendere Ausdruck ist, stand doch die darstellerische Tiefe ihrer Rolle der sensationellen musikalischen Interpretation in nichts nach. 32-mal verkörperte sie Tosca – allein die Rollen der Norma, Violetta und Lucia sang sie öfter.
Tosca: Libretto als Zankapfel
Die Gründe, warum „Tosca“ seit der Uraufführung bis zum heutigen Tage zu den meistgespielten Opern gehört, sind mannigfach. Es fängt schon bei der Uraufführung an sich an, passte doch das antiklerikale Sujet des Werks ideal zum weitgehend antiklerikal eingestellten Publikum. Außerdem gilt das Libretto bis heute als eines der besten seiner Art, auch wenn die Zusammenarbeit am Text alles andere als harmonisch verlief: Neben den „offiziellen“ Librettisten Giuseppe Giacosa und Luigi Illica wirkten auch noch Puccini, Ricordi und Sardou höchstselbst meinungsstark und konfliktfreudig mit, mehrmals drohte das Projekt dadurch auseinanderzufallen.
Sturz von der Engelsburg
Am Ende jedoch wurde die Uraufführung Anfang 1900 ein großer Erfolg: Ein Maler, der seinen politisch verfolgten Freund auch unter Folter nicht verrät, eine Frau, die aus Liebe und Treue zur Mörderin des Peinigers ihres Geliebten wird, dazu noch das allgemeine Aufbegehren gegen eine gewalttätige Obrigkeit – das war genau der Stoff, den das Publikum damals wollte. Allein die Tatsache, dass alle vier eben genannten Figuren auf der Opernbühne das Zeitliche segnen (Tosca selbst stürzt sich am Ende effektreich von der Engelsburg in Rom in den Tod), brachte der Oper den nicht ganz unberechtigten Vorwurf einer recht drastisch dargestellten Brutalität ein.
Vielleicht liegt aber genau darin der Grund, weshalb „Tosca“ nie von den Spielplänen verschwand, steht doch die Oper „als Fanal über dem beginnenden 20. Jahrhunderts“, wie Mathias Husmann in seinen „99 Präludien fürs Publikum“ erläutert: „Schikane gegen Kunst und Künstler, politische Verfolgungen, Folter, willkürliche Hinrichtungen, Faschismus, Kriege…“ – was in „Tosca“ thematisiert wird, begleitete die Menschheit das gesamte 20. Jahrhundert über.
Die wichtigsten Fakten zu Giacomo Puccinis „Tosca“:
Besetzung: Floria Tosca, Opernsängerin (Sopran), Mario Cavaradossi, Maler (Tenor), Baron Scarpia, Polizeichef (Bariton), Spoletta, Gendarm (Tenor), Sciarrone, Gendarm (Bass), Cesare Angelotti, politischer Gefangener (Bass), Mesner (Bass), Schließer (Bass), Ein Hirtenknabe (Knabensopran)
Orchesterbesetzung: 3 Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Bassposaune, Pauken, Große Trommel, Becken, Triangel, Violinen, Bratschen, Celli, Kontrabässe, Carillon, Harfe, Celesta, Glocken, Bühnenmusik, Kanone
Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden
Die Uraufführung fand am 14. Januar 1900 statt
Referenzeinspielung
Puccini: Tosca
Maria Callas, Giuseppe di Stefano, Tito Gobbi, Franco Calabrese. Chor und Orchester der Mailänder Scala. Vicot de Sabata (Leitung)
Warner Classics
Diese Tosca von 1953 gehört ohne Zweifel zu den bekanntesten Opernaufnahmen überhaupt. An der Seite von Maria Callas als Tosca ist Tito Gobbis Darstellung des Scarpia die Blaupause schlechthin für einen Opernschurken, während Giuseppe di Stefano kongenial Toscas Geliebten Cavaradossi gibt. Auch wenn man der Aufnahme anhört, dass sie bereits mehr als sechzig Jahre alt ist, sucht sie nach wie vor hinsichtlich der außerordentlichen Musikalität des Orchesters und der bestechenden Präsenz der Sänger ihresgleichen.