Ludwig van Beethoven war immer für eine Innovation gut. Das gilt nicht nur, aber auch für seine Sinfonien. Die erste beginnt frech mit einer Dissonanz, die zweite zeige – so Zeitgenossen – „übertriebenes Streben nach dem Neuen und Auffallenden“, und das Finale sei „allzu bizarr, wild und grell“. Die dritte, die „Eroica“, enthält einen Trauermarsch und gibt bis heute Rätsel ob ihrer Form und Länge auf. Die fünfte zeigt exemplarisch, wie ein kurzes Motiv eine ganze Sinfonie prägen kann, während die sechste, die „Pastorale“, der Programmmusik ein Denkmal setzt. Drei Jahre nach deren Uraufführung wandte Beethoven sich 1811 wieder dieser Gattung zu und hinterließ erneut etwas Besonderes: die Sinfonie Nr. 7, die ausgesprochen tänzerisch daherkommt.
Das beginnt bereits in der ungewöhnlich langen langsamen Einleitung zum ersten Satz. Nach einer Steigerung kristallisiert sich ein punktierter und damit tänzerischer Rhythmus heraus, der nicht nur den gesamten ersten Satz prägen, sondern auch Keimzelle aller weiteren Motive der ganzen Sinfonie sein wird. Den zweiten Satz könnte man als Pavane oder einen anderen Schreittanz aus alten Zeiten sehen. Das Scherzo, ohnehin Nachfahre des Menuetts, wirkt mit seiner wirbelnden Motorik sowie mit seinen Vorschlägen und Trillern geradezu übermütig. Die Zwischenspiele ergänzen mit ihrer orgelpunktartigen Begleitung volksliedartige Klänge. Das Finale schließlich drängt fast ununterbrochen nach vorn.
Beethoven, der Erfinder der abendfüllenden Ballettmusik?
All dies trug dazu bei, dass der über eine Generation jüngere Richard Wagner das Werk, wie Mathias Husmann in seinen „Präludien fürs Publikum“ schreibt, als „Apotheose des Tanzes“ bezeichnete. Ist Beethoven, indem er laut Wagner den Tanz durch eine Sinfonie ins Göttliche erhob, somit der heimliche Erfinder der abendfüllenden Ballettmusik? Sicher nicht. Wagner schätzte den Sinfoniker Beethoven überaus, ja er sah in der Gattung Sinfonie nach Beethoven keine Entwicklungsmöglichkeit mehr. Wagner selbst wandte sich deshalb nach nur einem frühen Versuch als Sinfoniker konsequent der Oper zu.
Nicht so recht zu Wagners These als Apotheose passen die Zwischenspiele im zweiten Satz der Sinfonie Nr. 7 sowie die beiden fahlen a-Moll-Akkorde, die diesen Satz einrahmen. Nach den gängigen Tonsatzregeln müssten sie aufgelöst werden. Beethoven lässt sie jedoch ausklingen und schafft damit ein offenes Ende. Die elegische Melodie desselben Satzes in Bratschen und Celli gab Anlass zu anderen, teils ausufernden Interpretationen. Mancher sah darin einen Trauermarsch oder gar Weltschmerz, unterstützt durch die Wahl eines eher langsamen Tempos, das aus Beethovens eigener Bezeichnung „Allegretto“ (etwa „ein wenig schnell“) im romantischen Überschwang manchmal fast ein Adagio machte.
Beethovens größter Erfolg zu Lebzeiten
Uraufgeführt wurde die Sinfonie am 8. Dezember 1813 gemeinsam mit der Schlachtensinfonie „Wellingtons Sieg“. Das Konzert vor 5.000 Zuhörern war Beethovens größter Erfolg zu Lebzeiten. Dieser war zwar überwiegend der plakativen Schlachtensinfonie zu verdanken, doch auch die siebte Sinfonie erhielt, so wurde berichtet, „großen Beifall“. Organisiert wurde das Konzert von Beethovens Zeitgenossen Johann Nepomuk Mälzel, dem Erfinder des Metronoms, der zahlreiche Größen des damaligen Musiklebens zur Mitwirkung gewinnen konnte – vor allem für die Schlagzeugpartien in „Wellingtons Sieg“. Darunter fanden sich so illustre Namen wie Johann Nepomuk Hummel, Giacomo Meyerbeer, Ignaz Moscheles, Antonio Salieri und Louis Spohr.
Sinfonie Nr. 7: Doch ein politisches Statement?
Von der Französischen Revolution und ihren Auswirkungen hatte Beethoven auch im entfernten Wien genug mitbekommen. In vielen seiner Werke aus dieser Zeit finden sich Hinweise auf oder direkte Übernahmen von seinerzeit bekannten, heute meist vergessenen Revolutionsmusiken. Dazu gehört die vermutliche Anspielung auf das Divertissement „Le Triomphe de la république“ des in Paris einflussreich wirkenden Komponisten François-Joseph Gossec, die im Finale der Sinfonie zu hören ist sind. Sie sei, so meinen manche Forscher, von Beethoven ebenso bewusst eingesetzt wie von den Zuhörern verstanden worden.
Anfangs wurde die Sinfonie stets gemeinsam mit „Wellingtons Sieg“ aufgeführt. Beide Werke wurden dabei mit den Teilen „Kampf“ („Wellingtons Sieg“) und „Sieg“ (Sinfonie) als zusammengehörendes Paar verstanden, eine Wirkung, die schon eine Generation später verblasste und von Beethoven wohl auch nicht intendiert war. Immerhin war die Arbeit an der siebten Sinfonie längst abgeschlossen, als Wellington in der Schlacht von Vitoria im Juni 1813 die Franzosen besiegte.
Die wichtigsten Fakten zu Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92
1. Satz: Poco sostenuto – Vivace
2. Satz: Allegretto
3. Satz: Presto
4. Satz: Allegro con brio
Orchesterbesetzung: Zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, zwei Hörner, zwei Trompeten, Pauken, Streicher
Spieldauer: 35-40 Minuten
Uraufführung: Die Uraufführung fand am 8. Dezember 1813 in Wien gemeinsam mit der Schlachtensinfonie „Wellingtons Sieg“ statt. Die Leitung hatte trotz seiner Taubheit Beethoven.
Referenzeinspielung:
Beethoven: Die Sinfonien
Chamber Orchestra of Europe, Nikolaus Harnoncourt. Warner
Für die erste Auseinandersetzung mit Beethovens Sinfonien hatte Nikolaus Harnoncourt 1990 bereits ein stattliches Alter erreicht. Doch der damals Sechzigjährige, vom Kritiker Klaus Umbach als „der alte Fuchs mit dem jugendlichen Elan“ bezeichnet, war getrieben davon, auch Beethoven, der nie wie Mozart verkitscht oder wie Haydn oberflächlich behandelt worden war, ein frisches Klangbild zu verpassen. Das ist ihm insbesondere mit der Aufnahme der Sinfonie Nr. 7 gelungen, die selten so schwungvoll daherkam. Als Orchester wählte er damals das noch junge Chamber Orchestra of Europe aus, das nicht nur mit Naturtrompeten, Barockpauken und kleiner Streicherbesetzung für klangliche Aha-Erlebnisse sorgte, sondern vor allem mit spürbarer und ansteckender Begeisterung musizierte.