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Mozart: Don Giovanni

Mozarts „Don Giovanni“ ist eine der beliebtesten Opern der Musikgeschichte. Ihr Siegeszug begann jedoch mit einer kleinen Verzögerung.

vonJohann Buddecke,

Für den 14. Oktober 1787 hatte sich hoher Besuch in Prag angekündigt. Maria Theresia Josepha von Österreich und ihr Ehemann Anton, der späteren König von Sachen, waren auf der Durchreise. Wolfgang Amadeus Mozart, seit längerem in der Stadt, war im März desselben Jahres von dem Prager Impresario Pasquale Bondini mit der Komposition des „Don Giovanni“ beauftragt worden und hatte in den ersten Oktobertagen die abschließenden Arbeiten an der Oper, deren Libretto aus der Feder des legendären Librettisten Lorenzo Da Ponte stammt, vorgenommen. Die Ankunft der adligen Gesellschaft schien der willkommene Anlass zur Uraufführung zu sein. Doch die Zeit rannte.

Schließlich kam es wie es kommen musste: Der Zeitplan war zu knapp bemessen, das Prager Ensemble hatte Schwierigkeiten bei den Proben und die geplante Uraufführung für die prominenten Gäste musste verschoben werden. Mozart schrieb wenig später an den befreundeten Gottfried Freiherr von Jacquin: „Sie werden vermutlich glauben, daß nun meine Oper schon vorbey ist – doch da irren sie sich ein bischen. Erstens ist das hiesige theatralische Personale nicht so geschickt wie das zu Wien, um eine solche Oper in so kurzer Zeit einzustudieren. Zweitens fand ich bei meiner Ankunft so wenige Vorkehrungen und Anstalten, daß es eine blosse unmöglichkeit gewesen seyn würde, Sie am 14te als gestern zu geben.“ 

Verzögerte Uraufführung des „Don Giovanni“

Um das durchlauchte Publikum nicht zu enttäuschen, dirigierte Mozart seine Oper „Le nozze di Figaro“, der „Don Giovanni“ kam schließlich erstmals am 29. Oktober im Gräflich Nostitzschen Nationaltheater in Prag auf die Bühne. Und das mit so großem Erfolg, dass Kaiser Joseph II. sich eine Aufführung des Werks im Folgejahr in Wien wünschte. Mozart begann daraufhin die Oper umzuarbeiten, einzelne Nummern zu streichen und neue Teile hinzuzufügen. Die Handlung um den einerseits rücksichtlosen, jedoch gleichermaßen moralisch anständigen Don Giovanni, dessen Interesse sich ausschließlich um die Eroberung der Frauen in seiner Umgebung dreht, der zum Mörder wird und trotz des gutmütigen Zutuns seines Gegenspielers Komtur, der ihn zur Reue bewegen will, freiwillig in die Hölle fährt, verändert er für das Wiener Publikum leicht. Der großer Erfolg blieb in Wien jedoch aus.

E.T.A. Hoffmann sorgt für große Beliebtheit des Opernstoffs

Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts traf die Oper durchgängig auf großes Interesse beim Publikum, meistens als Singspiel in einer Mischung aus Dialog und Gesang inszeniert und häufig mit deutschem, statt mit dem italienischen Originaltext dargeboten. Zusätzliche Begeisterung fand „Don Giovanni“, als E.T.A. Hoffmann mit seiner 1813 erschienene Novelle „Don Juan – eine fabelhafte Begebenheit, die sich mit einem reisenden Enthusiasten zugetragen“ einen großen Erfolg erzielte und das Interesse an dem Opernstoff damit merklich anstieg. Seither veränderte sich die Aufführungspraxis der Oper stetig weiter; heute gilt „Don Giovanni“ als eine der erfolgreichsten Opern aller Zeiten.

Die wichtigsten Fakten zu Mozarts „Don Giovanni“: 

Orchesterbesetzung: Zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, zwei Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen, Pauken, Mandoline, Streicher und Basso continuo

Spieldauer: 2 ¾ Stunden 

Uraufführung: Die Uraufführung fand am 29. Oktober 1787 im Gräflich Nostitzschen Nationaltheater in Prag statt.

Referenzeinspielung:

In dieser Einspielung John Eliot Gardiners ist neben der großartigen Gesangsleistung vor allem der transparente und kraftvolle Orchesterklang hervorzuheben, der mithilfe bedacht gewählter Tempi die Handlung der Oper eindrucksvoll untermalt.

Mozart: „Don Giovanni“

Rodney Gilfry, Luba Orgonasova, Charlotte Margione, Eirian James, Christoph Prégardien, Ildebrando D’Arcangelo, Julian Clarkson, Andrea Silvestrelli, Monteverdi Choir, English Baroque Soloists, John Eliot Gardiner
Archiv Produktion 1995

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Präludium

KV 527 (UA Prag 1787) Figaro hatte in Prag Furore gemacht, Don Giovanni sollte daran anknüpfen – stolz zitiert Mozart in der Festmusik sich selbst, und Leporello kommentiert kauend: „Die Musik kommt mir äußerst bekannt vor!“ Wer ist Don Giovanni? Für sein Selbstgefühl braucht er die Bestätigung, unwiderstehlich zu sein. Frauen interessieren ihn nicht wirklich – „Verflossene“ erkennt er nicht wieder. Seine Opfer aber klammern sich an das Erlebnis Don Giovanni, obwohl es (immer) negativ verlief. Eine „Ex“ versucht ihn zu bekehren, sein Biograf schreibt an einem Fortsetzungs-(schund-)roman, ein junges Bauernpaar kommt mit zerschlagenen Knochen und zerkratzter Beziehung davon. Der Mord an dem Komtur, welcher ihn bei der Vergewaltigung seiner Tochter Anna stellt, wird ihm zum Verhängnis. Mit dem Bild des Komturs – dem steinernen Gast – beginnt die Ouvertüre: Kalt und unerbittlich greift dessen Hand nach dem Wüstling. Klingt der dreimalige d-Moll-Akkord hier wie eine Mahnung aus der Zukunft, so macht der flammende dreimalige verminderte Septakkord am Schluss, verstärkt durch die Gerichtsposaunen aus der Friedhofsszene, unmissverständlich klar, dass der Augenblick der Bestrafung gekommen ist. Dieser Augenblick ist zugleich die Geburtsstunde der Romantik: von der Giovanni-Musik schossen Blitze in die Köpfe von E.T.A. Hoffmann, Carl Maria von Weber, Hector Berlioz und Richard Wagner. Der Einbruch des Übersinnlichen in die Normalität – das ist der „Prager“ Mozart. Goethe wünschte, dass Mozart „Faust“ komponieren möge – sicher dachte er an diese Musik. Donna Anna ist eine traumatisierte Frau: das schmerzverzerrte Rezitativ ihrer ersten Arie und der zerstörte Ton ihrer zweiten eröffnen bisher unerhörte Ausdrucksdimensionen. Don Ottavio kann die Leiden seiner geschändeten Braut nur beklagen – da der Tenor der späteren Wiener Aufführung die ihm zugedachte Arie nicht singen wollte oder konnte, schrieb Mozart ihm eine neue – seitdem klagt Don Ottavio zweimal sehr einfühlsam (und etwas zu edel). Zwischen drohendem Anfang und höllischem Schluss spielt sich ein (meist nächtliches) Dramma giocoso ab – mit Bauernhochzeit, Maskenfest, Serenade, Verkleidung, mit höhnischem Lachen und roher Gewalt. Die wilde Champagnerarie leitet eine musikalische Collage-Szene ein: zu einem graziösen Menuett werden gleichzeitig ein derber Contretanz und ein beschwingter „Deutscher“ gespielt und getanzt, bis aus dem Nebenraum Zerlina um Hilfe schreit. Der entlarvte Don Giovanni flieht auf einen Friedhof. Dort sieht er die Statue des ermordeten Komturs und zwingt seinen zitternden Diener Leporello, diesen zum Nachtmahl einzuladen – und der steinerne Gast klopft an … In der Wiener Aufführung ließ man die Oper mit Don Giovannis Höllenfahrt enden. Mein Vater Fritz Husmann – Theaterzeichner in Hamburg von 1928-58 – hatte 1942 in der Hamburger Staatsoper einen solchen Schluss erlebt. Dreißig Jahre später erinnerte er sich: „Vielleicht sollten die Besucher mit dem erlösenden Bild des bestraften Wüstlings nachhause geschickt werden, aber theatralisch ist es schlecht: Die anderen müssen noch einmal auftreten und nach ihm fragen. Man muß spüren: Er war ein Verbrecher, aber ohne ihn sind alle – nichts.“ (Mathias Husmann)

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