op.86 (1849)
„Etwas ganz curioses“, schreibt Schumann an den Verleger Simrock, „was bis jetzt, glaub‘ ich, nicht existiert.“ Dieses Kuriosum ist das avantgardehafteste Konzert des 19.ten Jahrhunderts.
Das Ventilhorn, erfunden um 1814 (von Schötzel und Blühmel), ermöglichte dem Waldhorn den vollen Tonumfang mit allen chromatischen Zwischenstufen, war aber 1849 noch keineswegs in allen Orchestern durchgesetzt und anzutreffen. Wegen einer gewissen Verflachung des Tones gegenüber dem Naturhorn war es unter Hornisten, Dirigenten und Komponisten umstritten. Und nun schrieb ausgerechnet Robert Schumann, anerkannter Komponist von Klavierwerken und Liedern, dessen Werke für oder mit Orchester aber eher Randerscheinungen des Repertoires waren, ein Konzertstück für vier Ventilhörner – und stellte damit ein neues Soloinstrument und eine neue Gattung vor: das Quartettkonzert gleicher Instrumente.
Da Hörner zu „schmettern“ verstehen, gab er ihnen ein großes Orchester zur Seite: zur Standardbesetzung zog er Piccolo und drei Posaunen hinzu. Auf Hörner im Orchester verzichtete er – sie sind „ad libitum“ (nach Belieben) geschrieben, einerseits, um das Klangbild nicht zu ermüden, andererseits, um den „amtierenden“ Hornisten der Orchester den Auftritt als Solisten zu ermöglichen.
Die Musik ist feurig und schwungvoll. In den kurzen Tutti herrscht Hochstimmung – nur in der Mitte des dritten Satzes runzeln die Violinisten kurz die Stirn…Die Hörner werden kompakt und aufgefächert eingesetzt. Die Solopartien sind sehr anspruchsvoll: in allen Registern – von der geheimnisvollen Tiefe über die warme, „romantische“ Mittellage bis zur blendenden Höhe – werden Beweglichkeit, Sensibilität und Kraft verlangt.
Die Hornisten des Gewandhausorchesters zu Leipzig waren die ersten, die sich 1850 an dem Konzertstück messen ließen.
(Mathias Husmann)