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Wagner: Der fliegende Holländer

Erlösungsmythos, Märtyrerdrama, Gespensteroper: Mit seiner Oper „Der fliegende Holländer“ kam Wagner seiner Bestimmung als Komponist immer näher.

vonInsa Axmann,

„Wagner hat über nichts so tief wie über die Erlösung nachgedacht: seine Oper ist die Oper der Erlösung. Irgendwer will bei ihm immer erlöst sein … dies ist sein Problem.“ So resümiert der Philosoph Friedrich Nietzsche – zunächst noch Bewunderer, schließlich Gegner des Komponisten – in seinem Buch „Der Fall Wagner“ polemisch, was für ihn Wagners Opernschaffen ausmacht. Und in der Tat: Die Erlösung spielt in Wagners Werken eine tragende Rolle. So auch in seinem Frühwerk, dem „Fliegenden Holländer“.

Eine stürmische Schiffsreise galt Wagner als Urinitiation zur Holländer-Komposition

In Riga lernte Wagner durch Heinrich Heines „Memoiren des Herren von Schnabelowski“ die Sage vom „Fliegenden Holländer“ kennen und rühmte sie bereits damals schon aufgrund der Erlösungs-Idee als „echt dramatisch“. Seit 1837 war er in Riga als Musikdirektor am Theater angestellt, verlor diese Stelle jedoch zwei Jahre später und begab sich schließlich auf die Flucht vor seinen Gläubigern, die er mal wieder nicht bezahlen konnte.

"Der fliegende Holländer". Gemälde von Michael Zeno Diemer, um 1940
„Der fliegende Holländer“. Gemälde von Michael Zeno Diemer, um 1940

Während der mehrwöchigen Schiffsreise nach England erlebte Wagner eindringlich die Stimmung auf hoher See und lernte den einen oder anderen Matrosenbrauch und -gesang kennen. „Hussassahe! Jollohohe! Ho! He! Jo! Ha!“. Das Schiff geriet schließlich am Skagerrak zwischen Dänemark und Norwegen in einen schweren Sturm – ein nachhaltig beeindruckendes Erlebnis auf Grund dessen Wagner ab dem Jahr 1840 das Libretto und schließlich seine Komposition zum „Fliegenden Holländer“ verfasste.

„Der fliegende Holländer“: Romantische Oper in drei Aufzügen

Als musikalische Grundlage des „Holländers“ gilt noch immer die sogenannte Nummernoper, da Arien, Duette, Chornummern und Rezitative deutlich erkennbar sind. Allerdings ist „Der fliegende Holländer“ Wagners letzte Oper, die das traditionelle Format bedient: Mit der Komposition des „Lohengrin“ beschreitet er einige Jahre später erstmals eigene, gänzlich neue kompositorische Wege. Das durchkomponierte Musikdrama war geboren.

Ouvertüre zu "Der fliegende Holländer". Handschrift von Richard Wagner, mit Anmerkungen für den Verleger (in rot)
Ouvertüre zu „Der fliegende Holländer“. Handschrift von Richard Wagner, mit Anmerkungen für den Verleger (in rot)

Die Ouvertüre zur Holländer-Oper nimmt in aller Kürze das gesamte Drama vorweg, wie Wagner selbst 1851 an einen Freund schrieb: „In diesem Stück legte ich unbewusst den thematischen Keim zu der ganzen Musik der Oper nieder: Es war das verdichtete Bild des ganzen Dramas, wie es vor meiner Seele stand.“ Die Ballade Sentas steht im musikalischen Mittelpunkt des Gesamtgeschehens, beinhaltet quasi alle Leitthemen und spiegelt den Charakter der Oper treffend wider – schroff, düster und dramatisch. Für damalige Zeiten revolutionär war, dass Wagner durch Sentas Ballade als Kernstück der Oper eine musikalische Einheit herstellt, die für die klassische Nummernoper so neu war und deutlich zu seinem durchkomponierten Musikdrama führt.

Erlösung durch Liebe?

Man fragt sich doch wirklich, weshalb Senta, die gegen Bares von Vater Daland ungefragt an den Holländer verscherbelt wird, damit dieser endlich von seinem Fluch befreit wird, sich bis zuletzt berufen fühlt, den Unbekannten zu erlösen. Ist es die alte Sage, die sie von Kindertagen an kennt und deren Schicksal sie so sehr rührt? Oder warum ist sie so darauf fixiert, den „armen Mann“ sogar dadurch zu erlösen, dass sie sich letztlich in den Tod stürzt? Ist es Liebe oder Aufopferung? Klar ist, dass sich Sentas Treue erst in ihrem Tod erfüllt. Der Holländer benötigt diese Treue, um seine Sterblichkeit zurück zu erlangen.

Von Liebe ist dagegen nie die Rede, so auch der Holländer weiß: „Die düstre Glut, die hier ich fühle brennen, sollt’ ich Unseliger sie Liebe nennen? Ach nein! Die Sehnsucht ist es nach dem Heil: würd’ es durch solchen Engel mir zuteil!“ Somit ist Senta für ihn nur Mittel zum Zweck. Ihr kann man ohne weiteres einen Erlösungswahn unterstellen, denn wie lässt sich sonst erklären, dass sie von der Idee besessen ist, einen Wildfremden durch ihr Treue von seinem Schicksal zu erlösen? Am Schluss gehen die beiden ein wechselseitiges Bündnis ein, das für beide Seiten passt: Die Märtyerin Senta erfüllt ihre Erlösungsphantasien im Tod für den verfluchten Fremden, der Holländer kauft sich die Erlösung einer fremden Frau. Um Liebe geht es im „Fliegenden Holländer“ wohl kaum.

Der fliegende Holländer. Illustration der Schlussszene, 1843
Der fliegende Holländer. Illustration der Schlussszene, 1843

Die wichtigsten Fakten zu Richard Wagners „Der fliegende Holländer“:

Besetzung: Piccoloflöte, zwei Flöten, zwei Oboen/davon ein Englischhorn, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, vier Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen, Ophicleide, Pauken, Harfe, Streichorchester. Auf der Bühne: drei Piccoloflöten, sechs Hörner, ein Tamtam, eine Windmaschine

Spieldauer: ca. 2 ¼ Stunden

Uraufführung: Die Uraufführung fand am 2. Januar 1843 mit mäßigem Erfolg am Königlichen Hoftheater in Dresden statt. Der Durchbruch der Oper gelang erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Referenzeinspielung

Album Cover für Wagner: Der fliegende Holländer

Wagner: Der fliegende Holländer

Matti Salminen, Ricarda Merbeth, Robert Dean Smith, Silvia Hablowetz, Steve Davislim u.a.
Rundfunkchor Berlin, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Marek Janowski (Leitung)
Pentatone

Die konzertante Aufführung der Oper „Der fliegende Holländer“ im Jahr 2010 stellt den Beginn des großen Wagner-Zyklusses dar, deren Konzerte dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Marek Janowski größte Anerkennung einbrachte. Hervorragende Sänger, ein dynamisch aufspielendes Orchester und ein präziser Chor machen diese Aufnahme zum reinen Hörvergnügen, die ohne die Bühne gänzlich unverfälscht wirkt.

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Präludium

(UA Dresden 1843)

Am Anfang zwei Visionen: heulender Sturm im Skagerrak. Aus der Ferne Schiffsmasten und blutrote Segel, sich rasend nähernd, ungeheure Wogen vor sich herschiebend – auf hohem Bord ein bleicher Kapitän – Pfiffe und Kommandos wie Peitschenhiebe, in der Ferne verschwindend. Spinnstube in einer norwegischen Hafenstadt. Eines der dort arbeitenden Mädchen starrt ein altes Bild an – es zeigt einen bleichen Kapitän auf hohem Bord eines Segelschiffs. So beginnt die Ouvertüre. Magie ist im Spiel: Der bevorstehende Landgang des „fliegenden Holländers“ hat das kleine Schiff des Kaufmanns Daland in die Bucht Sandwike geweht; alle Seeleute – auch der wachhabende Steuermann – sinken in magischen Schlaf. Mit hässlichem Krachen – aber unbemerkt – geht das Holländerschiff vor Anker, und der bleiche Kapitän tritt an Land. Sein Fluch zwingt ihn, alle sieben Jahre auf Brautschau zu gehen, bis er ein Weib findet, das bereit ist, ihn durch ihre Treue zu erlösen, für ihn und mit ihm zu sterben. Magische Momente: – das Lied des Steuermanns, der wie telepathisch gelenkt einschläft, – der Auftritt des verfluchten Holländers – leidenschaftliche Arie eines Übermüden, – Eriks Traum (er galt bisher als Sentas Bräutigam) von der Ankunft zweier Schiffe, – Sentas Ballade – Keimzelle der Oper; als Senta der letzten Zeile nachsinnt, steht ihr Vater Daland mit einem Fremden in der Tür, – das traumversunkene Duett zwischen dem Holländer und Senta – Mittelpunkt der Oper, – die Chorszene im Hafen: die ausgelassenen norwegischen Matrosen verhöhnen die „Kollegen“ des totenstill daliegenden fremden Schiffes, bis diese gespenstisch und wild zu singen und zu tanzen beginnen. Als Wagner 1839 von Riga nach Paris vor seinen Gläubigern floh, erlebte er auf dreiwöchiger Seereise Stürme, die sich in seiner ersten romantischen Oper niederschlugen. Er hörte auch Arbeitslieder der Matrosen, deren Plattdeutsch er zwar nicht verstand („Schonersail, riet em dahl“), deren Melodie aber sich ihm einprägte und im Seemannschor Steuermann, laß die Wacht wiederkehrt. Überhaupt die Chöre! Seemannschöre, Spinnerinnenchor, Geisterchor – eine Freude zu singen, eine Freude zu hören! Und die ganze Oper ist kurz: Man kann sie als Ballade ohne Pause spielen, wenn ein genialer Bühnenbildner schnelle Verwandlungen ermöglicht … Eine herrliche, nasskalte, aber herzwarme Musik! (Mathias Husmann)

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