Startseite » Richard Wagner » Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg

Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg

Als sich Richard Wagner 1861 für die Umsetzung der „Meistersinger von Nürnberg“ entschloss, trug er die Idee bereits sechzehn Jahre mit sich herum. Seine Geldnöte waren schließlich ausschlaggebend für die Komposition

vonJohann Buddecke,

„Die ‚Meistersinger’ sind dramaturgisch, sprachlich und musikalisch ein Meisterwerk“, schreibt Mathias Husmann in seiner Werkeinführung „Präludien fürs Publikum“ über Wagners einzige komische Oper. Um seine Vorstellungen von einem reformierten Kulturbetrieb fernab vom seichten Unterhaltungstheater umzusetzen, wählte Wagner für „Die Meistersinger von Nürnberg“ ein einziges Mal in seinem Œvre kein mythologisches Sujet.

Humorvoller Wagner

Als Vorlage diente Wagner die Meistersinger-Tradition des 15. und 16. Jahrhunderts – ein zunftartiger Zusammenschluss von Sängern aus dem Handwerk –, die in der Handlung stellvertretend für die konservative, in ihren Reglements festgefahrene und in Wagners Augen spießige Bürgerschaft steht. Dieser setzt Wagner in humorvoll-gewitzter Weise ein progressives Lager entgegen, wobei er die Charaktere dem künstlerisch- und gesellschaftlichen Leben seiner Zeit entnimmt und sie – gänzlich Wagner untypisch – karikiert.

Und immer wieder Geldsorgen

Trotz eines üppigen Vorschusses seines Verlegers Franz Schott und Richard Wagners rekordverdächtigem Tempo beim Verfassen des Texts – er schrieb an dreißig Tagen die gesamte Dichtung –, kam er, nachdem er die Kompositionsarbeit an dem Vorspiel beendet und selbige 1862 bei einem Konzert in Leipzig vorab uraufgeführt hatte, mit der Arbeit an der Oper nicht weiter.

Erst nachdem Wagner mit König Ludwig II. von Bayern einen liquiden Förderer gefundenen hatte, stellte er die Oper fertig.

Die wichtigsten Fakten zu Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“:

Akte:

  1. Akt: Katharinenkirche in Nürnberg
  2. Akt: Straße in Nürnberg
  3. Akt: erste bis vierte Szene: Sachsens Schreibstube, fünfte Szene: ein freier Wiesenplan vor der Stadt Nürnberg

Orchesterbesetzung: Drei Flöten (auch Picc.), zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, vier Hörner, drei Trompeten, drei Posaunen, Basstuba, Pauken, Becken, Triangel, große Trommel, Glockenspiel (2 Spieler), Harfe, Laute und Streicher

Spieldauer: 4:20 Stunden

Uraufführung: 21. Juni 1868, Nationaltheater München unter Hans von Bülow

Referenzeinspielung

Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg

Staatskapelle Dresden, Herbert von Karajan (Leitung)
Mitwirkende: René Kollo, Helen Donath, Theo Adam, Karl Ridderbusch, Peter Schreier, Kurt Moll
EMI Classics

Wie mit so vielen Einspielungen setzt Herbert von Karajan, auch mit dieser Interpretation von 1970, Maßstäbe für nachfolgende Generationen von Dirigenten. Neben Karajans meisterhaft-präzisem Dirigat ist auch die Gesangsleistung der prominenten Solisten-Besetzung richtungsweisend.

Termine

Artikel

Präludium

Buchcover: Präludien für das Publikum von Mathias Husmann(UA München 1868) Im Mittelpunkt steht eine warme Sommernacht: Johannisnacht! Ein duftender Fliederbusch (Holunder) führt eine handfeste Prügelei herbei. Wer weiß, wie das geschah? fragt Sachs in seinem Wahnmonolog (er müsste es wissen, denn er selbst hat an des Wahnes Faden gezogen). Dieser Schuster und Poet dazu ist ein echter Volksheld, und die Meistersinger sind eine echte Komödie. Nun aber kam Johannistag! Für Wagner kam nach der Weltennacht des Tristan die Nürnberger Festwiese mit Handwerkerzügen und Volkstanz: Mädel aus Fürth! ruft David, Lehrbub von Sachs, begeistert (dessen Ohrfeige beförderte ihn am Morgen zum Gesellen). Die Meistersinger haben eine klassische Ouvertüre, die in den (nicht ganz klassischen) Schlusschoral eines Gottesdienstes mündet: In den Zwischenspielen werfen sich Eva (Tochter des Goldwirkers Pogner) und Walther (ein adliger Zugezogener) vielsagende Blicke zu. Ihr Vater hat Eva dem besten Singer versprochen, daraufhin möchte Walther Meistersinger werden. David führt ihn (selbst noch unfertig) ein in der Meister Tön und Weisen. Prompt fällt Walther auf der Meisterversammlung durch. Nur der alte Sachs ist betroffen von seinem Liebeslied. Abends, in seinem Fliedermonolog, sinnt er darüber. Kollege Beckmesser, Stadtschreiber, will am nächsten Tag um Eva singen und testet sein Werbelied unter ihrem Fenster. Sachs nagelt seine Kritik dazu mit dem Hammer auf Beckmessers Schuhe, die dieser in der Meisterversammlung angemahnt hatte – eine gelungene Retourkutsche! Eva (eine junge Dame, die Sachs zu nehmen weiß) lässt ihre Amme Magdalene (eine späte Jungfer, die mit David angebändelt hat), statt ihrer am Fenster sitzen, sie selbst kuschelt mit Walther hinter einer Linde. Weglaufen können sie nicht, denn Sachs hat mit seiner Arbeitslaterne eine Lichtschranke gelegt. David glaubt, Beckmessers Ständchen gelte Magdalene, und prügelt ihn durch, was alle Nürnberger weckt, die ihrerseits gern alte Rechnungen begleichen. Als das Nachtwächterhorn ertönt, flüchten alle in die Kammern, als der Wächter auftritt, sind nur noch ein paar Holzbläser unterwegs. Am Morgen erhält Walther eine persönliche Meisterlektion von Sachs, der ihm die Anwendung musikalischer Regeln auf die Ehe erklärt. Sachs schreibt die Weise auf, die Walther geträumt hat. Als der geschundene Beckmesser seine Schuhe abholen will, findet er den Text und nimmt ihn an sich. Sachs überlässt ihm das Blatt, damit es nicht nach Diebstahl aussieht. Mit einem intimen Quintett (beide Paare und Sachs) wird Walthers Lied getauft: Die Morgentraumdeutweise. Dann geht es zur Festwiese, wo Beckmesser durchfällt und Walther Eva gewinnt. Pünktlich zur Gründung des Deutschen Reiches (1871) lässt Wagner seinen Sachs dabei sogar eine Volksbefragung durchführen (natürlich nicht ergebnisoffen). Als die Meister, ein Auge zudrückend, Walther in die Zunft aufnehmen wollen, lehnt dieser ab. Da hält Sachs ihm und uns eine Standpauke: Verachtet mir die Meister nicht! Darin ist viel von deutscher Kunst die Rede, aber hat er nicht recht? In Deutschland werden heute Orchester aufgelöst, Theater stranguliert, es wird nicht mehr gesungen, Musikunterricht findet kaum noch statt – müssten wir nicht vor Sachs erröten? Die Meistersinger sind dramaturgisch, sprachlich und musikalisch ein Meisterwerk. Bei den väterlich-liebevollen Szenen zwischen Sachs und Eva weint das Herz, bei den drastisch-komischen Szenen mit Beckmesser oder David lacht das Herz – und man merkt nicht, dass man viereinhalb Stunden gesessen hat. (Mathias Husmann)

Klassik in Ihrer Stadt

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!