11 Zentimeter lang, 34 Gramm schwer, in Silberpapier eingepackt und von einer roten Banderole umhüllt: Das ist Lohengrin, der norwegische Kult-Schokoriegel aus dunkler Schokolade gefüllt mit Rum-Creme. Da haben sich die Norweger im Jahr 1911 wirklich was ausgedacht! Die Süßwarenfirma Freia entwickelte mit dem Osloer Nationaltheater anlässlich einer „Lohengrin“-Premiere die Idee, einen exklusiven Konsumartikel zu entwerfen, den man sich zu besonderen Anlässen wie etwa einem Opernbesuch gönnen könne. Die in Jugendstilform kreierte Süßigkeit wurde schließlich nach Wagners Oper benannt, erstmals zur Premiere selbiger verkauft und fand sogar als Requisite auf der Bühne ihren Einsatz.
Nachdem der „Knochen in Silberpapier“ – wie er aufgrund seiner Form genannt wurde – drei Jahre lediglich am Theater verkauft wurde, ging er danach in den öffentlichen Handel. Da sich die Verkaufszahlen in den 70er-Jahren stark reduzierten, erwog Freia eine Einstellung der Produktion, was zu großen Protesten in der norwegischen Bevölkerung führte. Der Riegel überlebte, wurde 2009 sogar durch den norwegischen Kulturschutzverband zum nationalen Kulturgut erklärt und ist mittlerweile die am längsten vertriebene Süßware Norwegens. Wagner sei Dank!
Romantische Oper und durchkomponiertes Musikdrama
Aber was hat es denn nun mit der Oper „Lohengrin“ auf sich? Wagner begann im Sommer 1845 während eines Kuraufenthaltes in Marienbad das Libretto zu seinem geplanten Musiktheaterstück zu schreiben. Drei Jahre später war die vollständige Partitur abgeschlossen. Seine letzte romantische Oper, die zugleich Anklänge an ein modernes, durchkomponiertes Musikdrama hat, stellt ein Konglomerat verschiedenster Stoffvorlagen dar: Wolfram von Eschenbachs mittelalterliches Versepos „Parsival“ fand neben dem Lohengrin-Epos von Joseph Görres aus dem Jahr 1813 ebenso Beachtung wie einige der deutschen Sagen der Brüder Grimm und diverse Märchenerzählungen.
Mit dem „Lohengrin“ kam Wagner seiner Idee des durchkomponierten Musikdramas bereits wesentlich näher: Die drei Akte werden – ohne in einzelne Nummern aufgeteilt zu sein – durchgespielt, und es gibt nur noch einzelne arienartige Fragmente, die an die klassische Nummernoper erinnern. Auch Wagners Verfahren der Leitmotivik kommt im „Lohengrin“ bereits in Ansätzen zum Tragen. Den einzelnen Protagonisten werden bestimmte Tonarten und Leitklänge zugeordnet, die sie charakterisieren. So erscheinen Lohengrin und die Sphären der Gralswelt in strahlendem A-Dur, Ortrud und Telramund hingegen werden – nicht durch Zufall – die parallele Molltonart fis-Moll zugeordnet.
Lohengrin und die gescheiterte Kraft der Liebe
Der Inhalt des „Lohengrin“ ist schnell erzählt: Die junge Elsa von Brabant wird von Friedrich von Telramund des Mordes an ihrem Bruder Gottfried angeklagt und findet – da keiner sie verteidigen will – im auf einem Schwan nahenden Gralsritter Lohengrin einen Fürsprecher. Dieser errettet Elsa allerdings nur unter der Bedingung, niemals nach seinem Namen und seiner Herkunft zu fragen. Blindes Vertrauen also vorausgesetzt. „Lohengrin suchte das Weib, das an ihn glaubte: das nicht früge, wer er sei und woher er komme, sondern ihn liebte, wie er sei und weil er so sei, wie er ihm erschiene“, so Wagner selbst in einem Brief an einen Freund. Was bleibt Elsa also anderes übrig als einzuwilligen? Doch die Sache geht schief.
Lohengrin rettet zwar Elsas Leben und die beiden beschließen zu heiraten, aber am Tag der Hochzeit kann Elsa dem Frageverbot nicht mehr standhalten und bricht ihr Wort. Lohengrin, der als göttlicher Ritter stets unerkannt bleiben wollte, verkündet in der berühmten Gralserzählung seine Geschichte und schließlich seinen Weggang. Bevor sich das intrigierende Pärchen Telramund und Ortrud allerdings ins Fäustchen lachen kann, verwandelt sich der nahende Schwan in den totgeglaubten Gottfried, woraufhin Elsa tot zusammenbricht.
Die Liebe, die Vertrauen verlangt, scheitert im „Lohengrin“. Und den Tod durch die Liebe, der in Wagners übrigen Werken zumindest eine metaphysische Erlösung verspricht, gibt es im „Lohengrin“ nicht. Wagner schlussfolgerte einst selber, dass es sich bei dieser Oper um sein einziges wirklich tragisches und trauriges Musiktheaterwerk handelte.
Die wichtigsten Fakten zu Richard Wagners „Lohengrin“:
Besetzung: 3 Flöten, 2 Oboen, 1 Englischhorn, 2 Klarinetten, 1 Bassklarinette, 3 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, 1 Bass-Tuba, 1 Paar Pauken, 1 Triangel, 1 Becken, 1 Tamborin, 1 Harfe, 16 erste Geigen, 16 zweite Geigen, 12 Bratschen, 12 Violoncelli, 8 Kontrabässe. Auf der Bühne: 4 Trompeten, 3 Flöten, 3 Oboe, 3 Klarinetten, 2 Fagott, 4 Hörner, weitere 8-12 Trompeten, 1 Pauke, 1 Becken, 1 Orgel, 1 Harfe, 1 Triangel, 1 Rührtrommel
Spieldauer: etwa 3,5 Stunden
Uraufführung: Die Uraufführung fand am 28. August 1850 in Weimar unter der Leitung von Franz Liszt im Großherzoglichen Hoftheater statt.
Referenzeinspielung
Wagner: Lohengrin
Kwangchul Youn, Johan Botha, Adrianne Pieczonka, Petra Lang, Eike Wilm Schulte, Falk Struckmann u.a.
Prague Chamber Choir, WDR Sinfonieorchester Köln, Semyon Bychkov (Leitung)
Profil
Bei dieser „Lohengrin“-Aufnahme aus dem Jahr 2008 handelt es sich um eine reine Studioproduktion, die klanglich und sängerisch beeindruckt. Als Lohengrin brilliert der südafrikanische Tenor Johan Botha, der seine Partie mühelos und eindrucksvoll meistert. Das WDR Sinfonieorchester unter Leitung von Semyon Bachkov überzeugt sowohl mit dramatischer Wucht und Kraft als auch mit zarter Lyrik. Nicht umsonst erhielt die Aufnahme 2010 den BBC Award als beste Opernaufnahme.